Friedrich Schmidtmeier
89_Friedrich Schmidtmeier – Quo vadis

Über den Autor: admin

Ein Kommentar

  1. Wolfgang Deininger

    Man sieht `nen Mann im Wasser steh´ n;
    der Anblick ist nicht grade schön.
    Die Beine wirken stark lädiert –
    was ist dem armen Mann passiert ?
    Hier kommt die Mythenwelt ins Spiel,
    in der der Kerl vom Himmel fiel.
    Er und sein Vater Dädalus
    bereiteten Minos Verdruss
    (den man als König Kretas kannte),
    der sie ins Labyrinth verbannte.
    Da musste jetzt ein Fluchtplan her
    und Dädalus fiel es nicht schwer.
    Er baute Flügel voller Stolz:
    Federn, Wachs, Gestänge aus Holz.
    Er warnte seinen Sohnemann:
    Flieg nicht dicht an die Sonne ran!
    Und auch nicht zu tief übers Meer,
    dort treffen dich die Wellen schwer !
    So konnten sie von Kreta flieh´ n –
    ohne Probleme, wie es schien.
    Doch nach einer gewissen Zeit
    machte der Übermut sich breit:
    Ikarus in den Steigflug ging
    (Gehorsam war nicht grad sein Ding),
    stieg hinauf in größere Höhn,
    konnte das Unheil nicht kommen sehn.
    Die Sonne schmolz das Wachs im Nu.
    Dädalus sah hilflos zu,
    wie die Federn davon stoben
    und sein Sohn von sehr weit oben
    hinab stürzte ins Mittelmeer.
    Den Vater traf der Schmerz gar sehr.
    Es heißt, er habe den Knaben
    auf Ikaria begraben.
    Scheint, Ikarus musste sterben,
    sonst würd´ es die Moral verderben.
    Wer so frech nach der Sonne greift
    schafft, dass Zorn die Götter ergreift
    und sie ihn vom Himmel holen.
    Weshalb lächle ich verstohlen ?
    Irren ist menschlich, wie es heißt,
    und wie auch dieses Bild beweist.
    Man musste die Wahrheit biegen
    und hat es deshalb verschwiegen,
    dass Ikarus – wie wundersam –
    beim Absturz nicht ums Leben kam !
    Ja, die Götter waren gnädig,
    haben seine Beine ledig-
    lich auf die Knochen reduziert,
    und Dädalus hatte kapiert:
    Um nicht sein Leben zu erschwer´ n
    musst´ er den Sohn für tot erklär´ n.
    Es ist Künstlern zu verdanken,
    dass einige Mythenranken
    (davon gibt´ s viele auf Erden)
    doch irgendwann gekappt werden.
    Und die Moral von dem Gedicht:
    Kunst bringt oft Wahrheiten an´ s Licht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert